Abschaffung der Jahreszeiten

Dass Politiker nichts tun, stimmt einfach nicht. Sie beeinflussen unser tägliches Leben mehr als wir annehmen, mehr als wir wollten, wenn wir wüssten, dass sie es tun. Natürlich tun sie beispielsweise nichts für den Klimaschutz; das ist nur ein Wort, das als Überschrift für Vereinbarungen und Absichtserklärungen auf Papier geschrieben ist, für das täglich Hunderte Hektar Regenwald abgeholzt wird. Die Römer und Karthager wussten schon, warum sie den nordafrikanischen Urwald namens Sahara dem Erdboden gleich gemacht haben, es wächst alles nach und regeneriert sich, so wie der Aralsee, die chinesischen Sumpfgebiete und das Great Barrier Reef. Aber sie tun etwas für unsere Überzeugungen. Vor allen Dingen für die, uns zu suggerieren, dass wir alles richtig machen, wenn wir wie ein Wackeldackel auf der Hutablage bei jeder Bremsung nicken.
So ist die geplante Abschaffung der Jahreszeiten keine willkürliche Entscheidung wie die Anzahl der nachgewiesenen Neuinfektionen, um Stufen der Beschränkungen zu begründen, sondern folgt einem in langen Verhandlungen mit Vertretern der Wirtschaft und unabhängiger Interessenverbände geschmiedeten Plan.

Frühling, Sommer, Herbst und Winter

Schon die Bezeichnungen sind irreführend und ohne Aussage. Dass wir Winter als kalte Jahreszeit verstehen, ist nur auf veraltete Bauernregeln und ähnlich unzuverlässige Informationsquellen zurückzuführen. Doch auch daran ist die Erderwärmung nicht schuld, und genau das wird nun zum Glück von der weisen Politik geradegerückt.

LADE ...
Sieht appetitlich aus, darf aber fortan nur noch Würzgebäck genannt werden

Karneval galt lange als fünfte Jahreszeit, die kalendarisch betrachtet vor der vierten beginnt und knapp vier Monate andauert, je nach Verlauf des Mondes, der an der Aufteilung der Monate schuld ist, die ebensowenig Sinn ergibt, wenn man es genau betrachtet (dazu gibt es den Artikel April, April).
Das ist aber noch nicht alles. Im September hat nämlich eine weitere Überschneidung in der Einzelhandelsdefinition von Jahreszeiten begonnen: die Vorweihnachtszeit. Überall gibt es mit Beginn des Spätsommers Weihnachtsgebäck zu kaufen. Meteorologische Feinheiten wie Temperaturen um die 30°C sind - wie wir bereits wissen - keine Maßgabe für die Erwägungen, die in klimatisierten oder zumindest belüfteten überirdischen Höhlen wie Einkaufszentren gelten.
Wer denkt bei den Worten Spekulatius, Zimtsterne, Printen, Makronen, Stollen, Lebkuchen, Apfel, Nuss und Mandelkern nicht an die Verlängerung der Öffnungszeiten der Freibäder?

Um diese Missstände und uneinheitliches Dilemma zu beheben sowie weitere Überschneidungen womöglich mit einer weiteren Jahreszeit zu vermeiden, werden die Menschen also geimpft, nicht mehr politisch inkorrekte Begriffe wie Weihnachten zu verwenden, die die diskriminierende Implikation einer christlichen Gesinnung nahelegen könnten.
In Nordamerika, wo der Islam nicht zum Land gehört wie hier, gilt ohnehin ein anderes Fest am Jahresende als bedeutsamer. Erntedank gepaart mit der Vorstellung, dass die Einheimischen den Siedlern häßliche, große, flugunfähige Vögel als Opfergabe ins Lagerfeuer geworfen haben, um ihre Friedensabsichten mit den Menschen zu bekräftigen, die ihren Genozid angestoßen hatten.

Der Zeitpunkt ist gut gewählt, denn derzeit wünscht sich die Gesamtbevölkerung nichts sehnlicher, als dass ihr etwas vermittelt wird, das nichts mit Atembehinderung oder Kontaktbeschränkungen zu tun hat. Karneval und Wies’n sind ohnehin bundesweit abgesagt, das freilich die Preußen am wenigsten juckt, sondern nur Bayern, Hessen, Rheinländer und vielleicht noch Württemberger, die sowieso den ganzen Tag nichts tun als zu feiern und durchdachte Schutzempfehlungen aus purer Überzeugung und paradox selbstverantwortlicher Eigendenkleistung ignorieren.

Nachdem Zigeunersauce (siehe Artikel Balkansauce), Negerkuss und Donauwelle im Bereich Nahrungs- und Genussmittel einen gesellschaftlichen Wandel erfahren haben, sind nun zurecht die ungenau überlappenden und potentiell rassistischen Bezeichnungen der Jahresquartale dran. Vorschläge, ob und welche Bezeichnungen als Ersatz verwendet werden dürfen, werden von der EU-Kommision ebenso ignoriert wie die Umfrageergebnisse zur Abschaffung der Sommerzeit. Denn schließlich ist schon in dem Begriff eine Jahreszeit benannt, die bereits zwei Monate vorbei ist, bevor die Uhren zurückgestellt werden und das Würzgebäck, vormals Weihnachts- oder Wintergebäck, befindet sich dann schon in den Startlöchern für den Ausverkauf.

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