Gemüts-Störungen im Rentenalter

Ein 67-jähriger „Jesus“ bekehrt Passanten im Park. Ist das eigentlich noch normal oder der blanke Wahn? Ferner gibt es Rentner, die im Dunkeln nicht das Haus verlassen oder dreißigmal am Tag nachschauen, ob die Herdplatte auch wirklich aus ist. Wie lässt sich eine krankhafte Störung von ausgeprägtem Eigensinn unterscheiden?

Klaus K., ein 67-jähriger Pensionär, ist seit einigen Wochen immer öfter im Park unterwegs, wo er mit der Bibel unterm Arm Passanten anspricht und zu einem besseren Lebenswandel anregen will. Er wirkt dabei zum Teil sehr erregt, manchmal wie verzückt, manchmal auch wie unter Zwang. Gefragt, was ihn dazu bewege, berichtet er, Jesus und Maria seien ihm erschienen und er wisse nun, dass er dazu bestimmt sei, Juden und Christen zu vereinen. Allerdings verwirrt sein Auftreten die meisten Passanten, die eigentlich weder angesprochen werden wollen, noch für einen besseren Lebenswandel zu begeistern sind. Auch wirkt der ältere Herr unglaubwürdig in seinem Übereifer und seiner Anspannung. Klaus K. spürt allmählich selbst, dass etwas nicht stimmt und hat zunehmend das Gefühl, die Leute tuscheln über ihn und stellen ihm sogar nach.

Wie ist dem Mann zu helfen? Das fragt sich so manch ein Vorüberziehender. Aber nur eine ältere Dame unternimmt etwas. Sie stellt Klaus K. wohlwollend ein paar persönliche Fragen und weiß dann als ehemalige Diplom-Psychologin, was zu tun ist.

Inhaltsverzeichnis

Schizophrenie in späten Lebensjahren – was sind die Besonderheiten?

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Wahnhafte Vorstellungen und Ideen erkennst du grundsätzlich daran, dass die Überzeugungen des Betroffenen im Widerspruch zur Wirklichkeit und den Überzeugungen der Mehrheit stehen, der Betroffene aber dennoch mit absoluter innerer Gewissheit daran festhält. Am häufigsten, aber nicht immer, treten sie im Rahmen einer schizophrenen oder psychotischen Störung auf. Zum Glück sind diese bei den Best-Agern sehr selten und werden mit steigendem Alter immer seltener. Das Gesamtrisiko für Menschen über 65 Jahren wird von klinischer Seite auf nur 0,1 bis 0,5 Prozent geschätzt.

Am ehesten treten schizophrene Symptome bei älteren Menschen dann auf, wenn sie in frühen Jahren bereits solche Phasen erlitten haben oder wenn davon eine ausgeprägte Restsymptomatik bestehen blieb. Unter diesen Voraussetzungen kann auch im Alter ein neuer Schub ausgelöst werden, etwa durch den Schock des „Ruhestandes“ oder das Sterben wichtiger Bezugspersonen. Generell aber werden die Schübe immer milder und sind äußerst selten von einem kompletten Realitätsverlust begleitet. Auch treten seltener als in jungen Jahren formale Denkstörungen auf, wie etwa Zerfahrenheit oder Gedankenabreißen, dafür häufiger Geruchs-Halluzinationen, Verfolgungswahn und kommentierende, anklagende Stimmen. Eine Ausnahme bildet hier eine bestehende Demenz. Sie bietet gewissermaßen einen Nährboden für schizophrene Symptome.

Bipolare Störungen in späten Lebensjahren – die Abweichungen

Auch diese Erkrankung, bei der Betroffene entweder „himmelhochjauchzend“ oder „zu Tode betrübt“ sind, tritt im höheren Lebensalter selten auf. In der nachfolgenden Tabelle findest du das Wichtigste darüber zusammengefasst:

Zu beachten bei älteren Menschen    
in depressiver Phase: in manischer Phase: in manischer Phase:
Depressive Episoden von Senioren bleiben häufig unbemerkt, da das Alter mit Leiden gleichsetzt wird, die natürlich niemand mag. So bezeichnete schon Goethe in seinem gleichnamigen Gedicht das Alter als „groben Gesell“. Bestehende physische Erkrankungen sowie Medikamente sind häufig Auslöser für manische Symptome, wie beispielsweise einem übersteigerten Antrieb, nicht mehr schlafen wollen, Kaufrausch, Distanzlosigkeit u. a. Behandlung überwiegend stationär unter Gabe von Psychopharmaka, mit Ausnahme von Patienten mit ausreichender eigener Bewusstheit über erste Symptome sowie erfolgter „Stand-by-Medikation“ im Notfall.
*gut therapierbar
*Antidepressiva wirken, aber es ist mehr Geduld erforderlich
Das fehlende Schlafbedürfnis führt dazu, dass die Betroffenen wenig trinken und essen – was bei Senioren zu schweren körperlichen Störungen führen kann. *auf mögliche Manie-auslösende Medikamente prüfen und diese ersetzten
*bei Behandlung mit antipsychotischen Medikamenten besondere Sorgfalt auf mögliche Wechselwirkungen mit anderen einzunehmenden Medikamenten richten
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Ängste und Zwänge in späten Lebensjahren – was ist anders?

Wer unter Zwängen leidet, betreibt immer wieder dieselben Rituale, wie etwa zwanzigmal am Tag prüfen, ob die Herdplatte auch wirklich aus ist.  Zwangsstörungen treten bei Senioren am häufigsten als Folge von Ängsten auf. Die Ängste steigen üblicherweise bei vorhandener Depressivität an. Behandelt werden müssen Ängste dann, wenn sie die Lebensqualität und Bewegungsfreiheit dermaßen einschränken, dass der Betroffene den Großteil seiner Zeit darüber nachgrübelt, wie er bestimmte angstauslösende Situationen vermeiden kann. Ein Auslöser für anhaltende Angststörungen und gegebenenfalls auch Zwangsrituale kann bei Senioren allein schon die Kenntnisnahme von Betrugsfällen oder Überfällen auf ältere Menschen sein. Und tatsächlich sehen es bestimmte Täter auf ältere Personen ab, weil sie sich zum Beispiel aufgrund von Demenz leichte Beute erhoffen. Aber diese Tatsache darf dich nicht immer mehr einschränken. Besser: Vorsorgende Maßnahmen ergreifen und das Leben wieder unbeschwert genießen. 

Weitere Auslöser für Ängste und Zwänge im Alter können sein:

  • Stürze
  • Unfälle
  • Operationen und Narkosen

Sturzangst kann dazu führen, dass der Betroffene bei Dunkelheit oder schlechtem Wetter nicht aus dem Haus geht. In der Folge versiegen die Kontakte, der Mensch vereinsamt mehr und mehr. Eine solche Situation schlägt nicht nur aufs Gemüt, sondern kann auch zu einem Bewegungsmangel führen, der körperlichen Probleme oder eine Verschlimmerung vorhandener Einschränkungen nach sich zieht.

Welche seelischen Lernaufgaben stellen sich bei psychischen Erkrankungen?

Schizophrenie und bipolare Störungen (manische Phase)

Lassen wir hier einen Betroffenen selbst zu Wort kommen: „Psychosen kommen nicht von ungefähr. Es gibt schließlich viel mehr in diesem Universum, als wir wahrnehmen können. Das bestätigt die Wissenschaft und auch jeder spirituelle Mensch. Meine Psychose ist für mich ein Signal der Seele, eine andere Haltung in Bezug auf die Menschen, die Welt und meine eigenen Gedanken einzunehmen. Durch die neuen Eindrücke während meiner Psychosen habe ich ein anderes Lebensgefühl entwickelt. Es ist das Spirituelle, worin ich den großen Wert sehe. Die Schübe haben mir einen tieferen Einblick in diese Welt gewährt. Sie mussten irgendwie sein.“

Hinweis

Dass sich unser seelisches Befinden auf unsere Gesundheit niederschlägt, ist heute den meisten bewusst. Wer darüber hinaus durch Innenschau die Botschaft hinter den Krankheits-Symptomen zu entschlüsseln sucht, bemerkt irgendwann, dass die Krankheit uns etwas sagen will oder zu etwas auffordert. Die nachfolgenden Deutungshinweise sind als eine Hilfestellung zu betrachten, um die Aufforderung hinter deiner Erkrankung zu verstehen. Sie weist auf einen Missstand in deinem Leben hin, auf etwas, das du übersehen hast oder übergangen. Konflikte vermeiden ist zwar leichter, sie zu lösen ist aber effektiver.

Ängste und Zwänge

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©Bild von Mabel Amber/Pixabay auf Alterix

Hier stehen drei Themen im Vordergrund:

  • Bist du bereit, der Welt zu begegnen, so wie sie ist?
  • Bist du bereit, Verantwortung für dein eigenes Erleben zu übernehmen?
  • Kannst du dich selbst so annehmen, wie du bist?

Die intensive Auseinandersetzung damit lohnt sich für Betroffene, egal ob in Therapie oder Selbsthilfe. Solange du für die drei Fragen kein eindeutiges Ja empfindest, wirst du kompensieren müssen. Entweder durch Vermeidung aus Angst und/oder durch zwangsneurotisches Verhalten und Ersatzhandlungen, die die gefürchtete Welt oder das gefürchtete Gefühl fernhalten sollen. Diese Ersatzhandlungen stehen stellvertretend für selbstbestimmtes Handeln sowie das Zulassen von Erfahrungen, die bisher als zu schmerzhaft abgewehrt wurden. In dieser Doku [1] erfährst du, wie sich eine Angststörung ausdrückt.

Tipps für den Umgang mit psychotisch oder ängstlich erscheinenden Menschen, egal welchen Alters

Bei Verdacht auf eine psychotische oder affektive Erkrankung gilt: Nicht jeder, der an etwas Unbegründbares glaubt, hat einen Wahn im Krankheitssinne. Besonders ältere Menschen sind sehr eigen und ihre Vorstellungen sind gefestigt, mitunter unverrückbar. Ein Beispiel: Eine „Zeit“- Umfrage vom Juli 2003 ergab, dass 19 Prozent der Deutschen, mehr jüngere als ältere, den Verschwörungsverdacht hegen, dass hinter den Anschlägen vom 11. September 2001 die US-Regierung selbst gestanden haben könnte. Die Allerwenigsten von ihnen arbeiten diesen Verdacht jedoch zu einer Verschwörungstheorie aus, an die sie unerschütterlich glauben und verquere, oft wenig in Zusammenhang stehende „Beweise“ dafür finden.  

Du erinnerst dich? Ein Wahn ist per Definition eine Überzeugung, die im Widerspruch zur Wirklichkeit und den Überzeugungen der Mehrheit steht, an der Betroffene aber dennoch mit absoluter innerer Gewissheit festhalten. Demzufolge eruiere im Gespräch und anhand ausgiebiger Beobachtungen, ob der eventuell psychisch Erkrankte noch zwischen Realität und „eigener Anschauung“ unterscheiden kann. Hast du indessen mit Angst- und Zwangserscheinungen zu tun, ist es am wichtigsten, Grenzen zu ziehen. Mach auf gar keinen Fall aus Mitgefühl bei etwaigen Zwangsritualen mit. Klare Absprachen sind sehr wichtig, sag was für dich OK ist und was nicht.

Quellen

[1] Doku: https://www.youtube.com/watch?v=tOrHH-PCgEM
Buch Dr. Rüdiger Dahlke „Depressionen“
Buch der Dualen Reihe „Psychiatrie und Psychotherapie“
Buch von Dipl.-Psych. Wulf Mirko Weinreich „Integrale Psychotherapie“
https://psychose-forum.com/forum/

Kommentar von Susanne M. |

Die Angst vor einem Sturz kann sich leicht zu einem Teufelskreis entwickeln. Stolperfallen in der Wohnung, Flüssigkeitsmangel, Medikamenteneinnahme oder eine Sehschwäche sind mögliche Auslöser. Und wir alle kennen das Prinzip der selbsterfüllenden Prophezeiung: wer schon einmal hingefallen ist, befürchtet, dass ihm das wieder passieren könnte. Dies kann zur Folge haben, dass er sich unsicher oder weniger als zuvor bewegt. Angehörige, die einen ständig auf Gefahren hinweisen und zur Vorsicht warnen, schüren diese Sturzangst noch zusätzlich, wodurch dann der nächste Sturz - und damit eine noch größere Angst vor dem Stürzen etc. - quasi schon vorprogrammiert ist.

Quellen:
https://help4seniors.de/sturzpraevention-im-alter/
https://www.insenio.de/ratgeber/sturzprophylaxe/

Was ist die Summe aus 2 und 7?
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